Üben, üben, üben … das bringt Fortschritt! Tatsächlich? Bringen monotone zeitsprengende Repetionen wirklich das erhoffte Ergebnis?

Welche Erfahrungen habt ihr hinsichtlich des (sinnvollen) Übens gesammelt?

Anbei ein Video der Gitarristin Zoe Barnett über ihre persönlichen Erfahrungen.

Die Wiederholung ist ja die eine Sache...kommt aber drauf an wie man wiederholt. Spiele ich 100 mal die gleichen 8 Takte und habe jedes mal einen Fehler an der gleichen Stelle, wird der ja auch mitgeübt. Deshalb langsam üben, undzwar so, dass ich immer die volle Kontrolle habe.

Außerdem habe ich mich öfters mit Leuten unterhalten, die pro Tag sechs Stunden und mehr üben. Das machte mich jedes Mal stutzig. Mehr als vier Stunden üben (davon 3 Stunden Gitarre) kann ich im Regelalltag nicht aufbringen. Da kommt aber die Definition des Übens ins Spiel. Für mich ist üben, dass ich aktiv an etwas arbeite, in dem ich besser werden will. Und da bin ich zu einhundert Prozent fokussiert und bei der Sache, da konzentriere ich mich auf nichts anderes. Ich spiele also zwischendurch nicht irgendwas anderes noch rein, lese neue Beiträge im Klassikgitarre Forum oder schaue Fern dabei.
Das ist wahrscheinlich der entscheidende Unterschied und auch der Grund, weshalb ich mich nicht sechs Stunden lang voll fokussiert hinsetzen und üben kann. Zumindest nicht täglich.
Meine Gitarre habe ich pro Tag zwar deutlich länger als drei Stunden in der Hand, aber geübt wird zwischen drei und vier Stunden.
Qualität ist wichtiger als Quantität. Auch beim Üben.

Malcolm Gladwell hat darauf hingewiesen dass man 10000 Stunden braucht um ein Experte in seinem Bereich zu werden (2008 - Outliers: the story of success)
Er stützte sich auf Forscher Anders Erricson der in 1993 über das Üben geschrieben hat, in Bereich Medizin, Schach, Sport und .... Musik.
10000 : das macht 5 Stunden pro Tag während 5 Jahren.
Aber wie von Zoe Barnett erklärt, darf man dass nicht egal wie machen.

Anderseits, ein ganz berühmeter Lehrer sagt dass er nur 1 1/2 Stunden pro Tag Gitarre spielt. Es gibt bestimmt keine Regel.

Also Linnsebinse, 3 Stunden pro Tag ist schon eine nette Leistung. Bist Du vielleicht Profi ?

Lehrmethodiken können ja schnell mit ideologischen Werten und Menschenbildern aufgeladen werden. Ich hoffe, dass wir alle darin übereinstimmen, solche Wertinhalte hier ganz explizit außer Acht zu lassen.

Was mich persönlich immer wieder beeindruckt, ist das Phänomen, dass nach einer „erzwungenen“ Gitarren- und Übepause selbst von wenigen Tagen durch Arbeit, Urlaub oder Krankheit plötzlich etwas ganz anders ist, wenn ich wieder spiele.

Vielleicht sind es gerade die von Frau Barnett angesprochenen (unbewußten) Fehlhaltungen, die so bereinigt werden. Aber ich denke, dass es so auch bestimmte durch tägliche Spielroutinen verkrustete … hmm, … „Denk- und Erwartungsmuster“ ?? … sind, die so quasi wieder resettet werden.

Nach solch einer Pause gelingt alles mehr und besser. Komisch!?

Eine richtige Erklärung habe ich nicht, aber zumindest scheint es überdenkenswert, wenn man eine sehr durchgetaktete und von Routine geprägte Übetaktik verfolgt?

Sehr beeindruckend und vielleicht dazu passend fand ich den Hinweis der Gitarristin Beatrix Kovacs, die für sich die Malerei neben dem Gitarrespiel als fördernd für ihr Gitarrespiel empfunden hat.

Ich kaufe mir morgen einen Zeichenblock 😉

Ich bin neu hier, aber ich möchte euch einige meiner Ansichten zu den Übungen mitteilen. Ich habe schon lange keine technischen Übungen mehr gespielt (mindestens 30 Jahre). Ich habe das Gefühl, dass dies den Geist der Gitarre in mir tötet. Ich habe viel mehr Freude daran, Stücke direkt zu spielen. Wenn ich, sagen wir, drei Stunden am Tag spiele, dann verbringe ich davon eine Stunde mit den Stücken, die ich schon kenne. Und zwei Stunden arbeite ich am neuen Stück, oder sagen wir, an zwei Stücken. Bei den neuen Stücken wiederhole ich die schwierigen Passagen mehrmals, und wenn ich das gemeistert habe, wiederhole ich das ganze Stück. Natürlich ist das Stück am Ende des Tages noch nicht fertig, aber Morgen ist ein neuer Tag. Ich muss dazu sagen, dass ich im Ruhestand bin und es mir leisten kann, jeden Tag zu spielen. Wie gesagt, ich spiele keine technischen Übungen im eigentlichen Sinne, ich finde alle Probleme in dem Stück, das ich spiele. Manchmal, wenn es nötig ist, denke ich mir eine technische Übung aus, die sich auf eine Stelle im Stück bezieht, die mir Schwierigkeiten bereitet.

Ich gehe immer mit großer Freude in meine Musikzimmer. Ich freue mich immer sehr auf meine Instrumente und ihren Klang und wie sie heute drauf sind. Ich muß ja nicht üben und kann daher entspannt an die Sache gehen. Dann macht es richtig Spaß . Ich übe nach dem warmmachen , immer ca. eine halbe bis eine Stunde .Entweder konzentriert worüber ich gestern gestolpert bin, oder ein paar neue Takte. Üben ist üben, nichts anders passiert dann. Heilsame Konzentration. Ein bis zweimal in der Woche sind nur alte Stücke, dran. Ich vergesse sie leider, wenn ich sie nicht ab und zu rauskrame. Mit den Romantikgitarren übe ich manchmal im stehen, mit Gurt, sonst wechseln sich Fußbank und Dynarette ab.
Leider hab ich trotzdem Taubheit und Schmerzen in Daumen und Finger. Egal.
Muß ja weiter gehen
Da fällt mir noch ein, ich suche neuerdings nicht mehr sehr komplizierte Stücke für mich aus. Nicht nach dem Motto, das mußt du doch schaffen, nicht höher, weiter, schneller. Sondern schöne für mich machbar Dinge, gerade im Moment Espanoleta .
Gruß Burghard